Folge #2

Shownotes

In Folge #2 sprechen wir mit der (gebürtigen) Ostfriesin Gerda Behrends und der Ostholsteinerin Martina Scheel. Die eine_ war_ und die andere ist die Koordinatorin beim Runden Tisch Barrierefreiheit Schleswig-Holstein - und warum ihre Herkunftsorte hier Erwähnung finden, erfahren Sie am Ende der Folge ;-) Der Runde Tisch Barrierefreiheit ist ein Gremium, dass sich aus ganz unterschiedlichen Menschen mit und ohne Behinderung zusammensetzt, die sich mit ihren unterschiedlichen Perspektiven und Expertisen für Barrierefreiheit in Schleswig-Holstein einsetzen. Die Koordination dieses Netzwerks wird über das Inklusionsbüro unterstützt. Das Gespräch wurde im August 2022 als Videokonferenz aufgezeichnet.

Weiterführende Links

Inklusionsbüro und Kontakt zum Runden Tisch Barrierefreiheit Schleswig-Holstein: https://www.alle-inklusive.de/ https://www.alle-inklusive.de/inklusionsbuero/ansprechpartnerinnen-und-ansprechpartner/

Links zu im Gespräch erwähnten Projekten: "Mönchsweg" > https://moenchsweg.de/index.html "tiny Rathaus" > https://www.kiel.de/de/kultur_freizeit/kreative_stadt/tiny_rathaus.php

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Einleitende Worte von Sylvia von Kajdacsy:

Einleitende Worte von Sylvia von Kajdacsy: In dieser Folge sprechen wir mit Gerda Behrends und Martina Scheel.

Einleitende Worte von Sylvia von Kajdacsy: Die eine war und die andere ist die Koordinatorin beim Runden Tisch Barrierefreiheit Schleswig-Holstein.

Einleitende Worte von Sylvia von Kajdacsy: Der Runde Tisch Barrierefreiheit ist ein Gremium, das sich aus ganz unterschiedlichen Menschen mit und ohne Behinderung zusammensetzt, die sich – wie der Name schon sagt – mit ihren verschiedenen Perspektiven und Expertisen für Barrierefreiheit in Schleswig-Holstein einsetzen. Die Koordination dieses Netzwerks wird über das Inklusionsbüro unterstützt.

Einleitende Worte von Sylvia von Kajdacsy: Das Gespräch wurde im August 2022 als Videokonferenz aufgezeichnet.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ja, ich sag erst einmal hallo. Ich heiße dich, liebe Gerda, als ehemalige und dich, liebe Martina, als derzeitige Koordinatorin des Runden Tischs Barrierefreiheit Schleswig-Holstein ganz herzlich willkommen zu unserem heutigen Podcastgespräch. Wir alle drei kennen uns gut aus unserer gemeinsamen Tätigkeit im Inklusionsbüro beziehungsweise aus unserem Einsatz für Inklusion, weshalb wir uns duzen und das auch für dieses Gespräch nicht ändern.

Sylvia von Kajdacsy: Ihr beide habt euch gen Ende des vergangenen Jahres, genauer gesagt zum November, den Staffelstab in der Koordination des Runden Tisches Barrierefreiheit Schleswig-Holstein übergeben.

Sylvia von Kajdacsy: Dieser Runde Tisch Barrierefreiheit ist im Inklusionsbüro verankert, für das du, liebe Gerda, schon lange, lange vor mir, nämlich seit April 2008, tätig warst – weshalb du auch für mich, die ich dann erst 2014 dort angefangen hab, immer eine Art Urgestein, ein unschätzbarer Fundus an Erinnerungswissen, ein Wissensquell rund um die Belange des Inklusionsbüros warst.

Sylvia von Kajdacsy: Und du, liebe Martina, bist nun seit November 2021 meine Kollegin im Inklusionsbüro und koordinierst seitdem den Runden Tisch Barrierefreiheit, warst aber auch vorher schon bereits lange als Teilnehmende in diesem Gremium engagiert, bist außerdem Beauftragte für Menschen mit Behinderung in Oldenburg in Holstein und in vielen anderen Kontexten im Themenfeld Inklusion aktiv und engagiert.

Sylvia von Kajdacsy: Und im Laufe des Gesprächs werden wir sicher noch Gelegenheit haben, mehr über eure Aktivitäten und euer Engagement zu erfahren. Denn ich möchte heute mit euch beiden einen Blick auf die Geschichte des Runden Tisches Barrierefreiheit Schleswig-Holstein werfen – unter dem Motto „Wo kommt er her und wo geht er hin?“

In diesem Sinne also noch einmal: Herzlich willkommen an euch beide zu diesem Gespräch – schön, dass ihr da seid!

Martina Scheel:

Martina Scheel: Ja, hallo!

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Vielen Dank, liebe Sylvia!

Sylvia von Kajdacsy:

Liebe Gerda, ich hab schon erwähnt: Du hast viele Jahre in unterschiedlichem Umfang die Geschicke im Inklusionsbüro begleitet und dich auf vielen Wegen für Inklusion eingesetzt. Vielleicht magst du uns noch mal selber einen kurzen Einblick in deine Aktivitäten und dein Engagement geben und ein bisschen was zu deiner Person – wer und was ist und prägt Gerda Behrends? – erzählen.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Oh, was mich geprägt hat – das ist natürlich ein großes Wort… Also ja, sicherlich geprägt hat mich, dass ich als Kleinkind Kinderlähmung bekommen hab und seitdem Rollstuhlfahrerin bin. Das hat mein Leben schon in gewisser Weise geprägt und besonders gemacht. Und ich hab dann erst mal Meeresbiologie studiert und etliche Jahre in der Forschung gearbeitet. Ich hatte dann aber irgendwann genug davon und habe mich dann einer anderen Sache zugewandt – was ich immer schon ehrenamtlich gemacht habe, nämlich mich für Rechte von Menschen mit Behinderungen zu engagieren.

Schon in eigener Sache musste ich das ja immer machen: Als Mensch mit Behinderung steht man ja ständig vor irgendwelchen Barrieren, die man bekämpft. Und das hab ich dann so ein bisschen versucht zu professionalisieren, indem ich mich zur Peer Counselorin ISL hab ausbilden lassen. Ich habe dann in verschiedenen Jobs in dem Bereich gearbeitet, bis ich dann 2008 endlich das gefunden hab, was ich immer schon mal machen wollte: nämlich das Inklusionsbüro hat mich angestellt – und das war eine sehr tolle Sache! So, das nur so in aller Kürze.

Schon in eigener Sache musste ich das ja immer machen: Im Rahmen des Inklusionsbüros habe ich dann viele Seminare gemacht, sei es für Mitarbeiter*innen der Lebenshilfe in verschiedenen Kontexten, sei es für BSJler*innen oder FSJler*innen. Aber eben auch für alle möglichen anderen Gruppierungen, die eben irgendetwas wissen wollten, von der Jugendfeuerwehr bis zu Juristen war immer alles mit dabei. Das hat mir immer sehr viel Spaß gemacht und das waren schöne Erlebnisse.

Und der Runde Tisch Barrierefreiheit: Es ging immer, natürlich- bei Inklusion geht es immer auch um Barrieren. Barrierefreiheit und Inklusion ist ja nicht das Gleiche, aber ohne Barrierefreiheit geht keine Inklusion. Das ist einfach eine Vorbedingung, damit Inklusion gelingen kann. Und so steht – oder sitzt – man immer wieder vor den Barrieren.

Und als dann irgendwann meine damalige Chefin ankam und völlig entnervt sagte: „Ach, mach doch mal ein Verzeichnis von barrierefreien Tagungs- und Versammlungsräumen in Schleswig-Holstein. Wir haben immer das Problem, dass wir nirgends hin können.“ Da habe ich gesagt: „Du, ok, das mach ich.“ Und dann hab ich mir das noch mal überlegt: Ich hatte in einem meiner vorherigen Jobs ja den Inselführer für Rollstuhlfahrer*innen für Föhr und Amrum gemacht und weiß von daher, was das für eine unglaubliche Arbeit ist, so eine Vermessung und Beschreibung von Objekten und von Barrieren. Und mir war sofort klar: Das kann ich nicht schaffen, so ein Verzeichnis sinnvoll zu erstellen.

Und dann hab ich gedacht, dann hole ich mir Verstärkung, und hab dann alle möglichen Leute angeschrieben, von denen ich dachte, die könnten dabei behilflich sein. Und dann, während ich die Adressen so zusammensuchte, hab ich auch gedacht: Nee, es ist eigentlich schlau, das etwas weiter zu fassen und zu versuchen, auch andere Bereiche mit rein zu kriegen – dass es wirklich ein Runder Tisch ist, mit ganz kurzen Wegen, wo man sich gegenseitig auch befruchten kann und, ja, Sachen austauschen kann, auf einer ganz niedrigen Ebene.

Herausgekommen ist dabei, dass ich die kommunalen Beauftragten und Beiräte für Menschen mit Behinderungen eingeladen hab. Natürlich auch jemanden vom Büro des Landesbeauftragten, aber dann eben auch Leute aus dem Bereich Tourismus, dem Landesseniorenrat, Landesjugendring. Ich habe Landkreis und Städtetag mit eingeladen, die leider Gottes nicht reagiert haben, was ich sehr schade finde. Dann die Verbände – einmal diejenigen, die sich im weitesten Sinne mit Behinderung auseinandersetzen, aber auch Verbände wie Tourismusverband und Aktivregion. Und so habe ich versucht, möglichst viele verschiedene Leute mit verschiedenen Erfahrungen an einen Tisch zu kriegen. Und das hat ganz gut geklappt: Das war dann ein bunter Haufen, eigentlich die ganze Zeit hindurch.

Und so ist das Ganze dann ins Laufen gekommen: Wir haben dann einen großen Plan gemacht, wie wir das machen mit dieser Erfassung von Tagungs- und Versammlungsstätten in Schleswig-Holstein – und welche barrierefrei sind und welche nicht und aus welchen Gründen und wie wir das dokumentieren und hin und her. Wir haben das, wenn schon, dann gleich groß aufgehängt. [Schmunzelnd:] Bis zu dem zweiten oder dritten Treffen, wo dann Matthias Krása sagte, das wär alles Mist, was wir da machen, und wir sollten doch jetzt mal inklusiv denken. Er sagte nämlich, wir müssen das ganz anders angehen: Wir müssen Barrierefreiheit voraussetzen – weil die Gesetzeslage so ist, dass Barrierefreiheit mittlerweile überall vorgeschrieben ist – und wir sollten doch mal versuchen durchzusetzen, wenn etwas nicht barrierefrei ist, dass das gekennzeichnet werden muss – und zwar von den Anbietern selber. Und das ist natürlich ein genialer Ansatz, denn zum einen befreit es uns als Menschen mit Behinderungen davon, ständig irgendwelche Stufen und Rampen zu vermessen und das zu beschreiben, weil jeder Anbieter und jede Anbieterin das selber machen muss. Zum anderen hat das natürlich auch einen Lerneffekt zur Folge. Das macht natürlich nur Sinn, wenn es auch mit einer Bestrafung verbunden ist, wenn es nicht gemacht wird – also mit einer Art Möglichkeit, Schadensersatz einzufordern, für die, die eben vor einer nicht vorher gekennzeichneten Barriere stehen. Und wir haben dann Horst Frehe eingeladen, als Juristen, der viel Erfahrung damit hat. Und der hat uns ein bisschen beraten, welche Wege wir gehen sollten, um das nun so umzusetzen. Und daraus entstanden sind dann unsere Stellungnahmen, zum Beispiel zum Landesaktionsplan für das Behindertengleichstellungsgesetz und so weiter. Da haben wir versucht, eben immer wieder diesen Aspekt mit rein zu kriegen – [schmunzelnd:] mit wechselnden Erfolgen.

Und so ist das Ganze dann ins Laufen gekommen: So, das war so die große Schiene. Es gibt bis heute kein Verzeichnis der barrierefreien Versammlungsstätten, obwohl der Runde Tisch nun mittlerweile ja schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Aber das ist so der Ansatz, wie das mal entstanden ist.

Und so ist das Ganze dann ins Laufen gekommen: Parallel dazu kamen dann eben immer Fragen zu aktuellen Sachen – was machen wir damit? – und so hat sich das entwickelt, aus diesen Parallelsachen, dass der Runde Tisch immer ganz vielfältige Fragen beantwortet hat. Oder auch nicht beantwortet oder bearbeitet hat.

Sylvia von Kajdacsy:

Ja, das war echt der große Bogen, sehr schön! Ich hätte dich nämlich noch nach dem Anlass fragen wollen: was Anlass war, den Runden Tisch zu gründen. Also, wir haben gelernt, das war quasi der Gedanke: ein Verzeichnis barrierefreier Veranstaltungsorte für Schleswig-Holstein mal zu generieren. Und wir wissen aus unseren Arbeitskontexten ja wirklich, wie schwierig das ist, so etwas zu generieren und dann auch noch aktuell zu halten.

Ja, das war echt der große Bogen, sehr schön! Ich hätte dich nämlich noch nach dem Anlass fragen wollen: Wann habt ihr euch denn eigentlich gegründet?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Das war 2014… 2014 oder 15.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Tatsächlich also kurz bevor ich oder als ich dann ins Inklusionsbüro kam – das ist ja spannend! Das war mir gar nicht so klar.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ja.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Liebe Martina, du bist seit November 2021 Koordinatorin des Runden Tischs Barrierefreiheit, aber ja schon viel, viel länger im Themenfeld Inklusion und vor allem auch zum Thema Barrierefreiheit tätig – und auch schon lange als Teilnehmerin beim Runden Tisch aktiv gewesen. Was prägt dich und deine Erfahrungen und was hat für dich den Anreiz gegeben, auch die Koordination des Runden Tischs übernehmen zu wollen?

Martina Scheel:

Ich beantworte das letzte mal als erstes: Ganz einfach, die Motivation kam von Gerda, meiner Mentorin. Ich hab sie vorher schon sehr lange begleitet, den Runden Tisch, als Ehrenamtliche und auch als Teilnehmerin natürlich. Und in der letzten Zeit, bevor ich ihn dann übernommen habe, hab ich Gerda auch ganz viel unterstützt: im IT-Bereich, weil wir teilweise online getagt haben und auch weil es ziemlich schwierig ist, gleichzeitig zu moderieren und mitzuschreiben, zu beachten, wer sich dann vielleicht noch meldet, und da so ein bisschen den Überblick mit zu behalten. Und ich bin mit einem weinenden und einem lachenden Auge gekommen: dem lachenden, dass ich es machen darf. Und dem weinenden, dass Gerda geht.

Ich beantworte das letzte mal als erstes: Und jetzt hab ich deine Fragen davor vergessen… [lacht]

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Die andere Frage war tatsächlich, was dich prägt und deine Person ausmacht und dein Engagement für dieses Themenfeld.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Ja, ich bin selbst betroffen. Ich hatte 2009 den ersten Schub einer Autoimmunerkrankung und bin mehrere Jahre wirklich Out Of Order gewesen. Also, es war tatsächlich so, dass meine Tochter meinen Sohn erziehen und groß machen musste und sich nebenbei auch noch um mich und den Haushalt kümmern musste. Und in dieser Situation hab ich von keiner Seite Hilfe bekommen. Keiner hat mir aber auch gesagt, wo man was kriegen kann oder was man überhaupt fragen kann. Denn wenn ich die Frage nicht kenne, dann kann ich auch nicht danach suchen.

Und das hat mich dann, als ich einigermaßen wieder auf den Damm kam, dazu bewogen – da ich in Erwerbsunfähigkeitsrente bin – die mir wieder zur Verfügung stehende Kraft dahin einzusetzen, eben halt anderen auf diesem Weg zu helfen und sie zu unterstützen. Und ja, das hat sich dann irgendwie sozusagen hochgeschaukelt, denn Inklusion und Barrierefreiheit ist nun mal ein Riesenthema. Es ist ein Querschnitt, der durch alle möglichen Themen geht. Und es finden sich dann immer wieder neue Ansatzpunkte, an denen man dann unbedingt mitwirken will. Und ja, mittlerweile stehe ich da, wo ich jetzt stehe: im Inklusionsbüro. [Alle lachen.]

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Das ist gut so – vielen Dank!

Ihr habt es beide schon angesprochen: Den Begriff Barrierefreiheit und das Thema Inklusion – und dass beides sich nicht ohne das andere denken lässt beziehungsweise das eine eine Voraussetzung für das andere darstellt. Was bedeutet denn der Begriff Barrierefreiheit für euch? Vielleicht könnt ihr es noch mal deutlich machen: den Bezug zur Leitidee der Inklusion, falls es noch Ergänzendes gibt. Und wie verwendet ihr den Begriff Barrierefreiheit? Gibt es die hundertprozentig? Was bedeutet das für euch?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Also, ich denke, die hundertprozentige Barrierefreiheit, das gibt es äußerst selten, wenn überhaupt je. Wirklich für alle Menschen barrierefrei bedeutet ja wirklich für alle Menschen frei zugänglich erreichbar, nutzbar in der allgemein üblichen Weise. Und das, denke ich, ist sicherlich ein sehr hohes Ziel, aber ich arbeite trotzdem immer wieder daraufhin.

Gerda Behrends: Für mich persönlich bedeutet Barrierefreiheit natürlich, dass ich mit meinem Rollstuhl überall hinkomme und dass ich überall teilnehmen kann. Dass ich zum Beispiel problemlos und als sei es selbstverständlich den öffentlichen Verkehr nutzen kann. Ja, da muss man immer so ein bisschen grinsen, wenn man das sagt – sonst fängt man an zu heulen [lacht].

Gerda Behrends: Dazu gehört natürlich, dass ich in Urlaub fahren kann, einfach ein Last-Minute-Angebot billig buchen könnte. Da kann ich natürlich in der Realität nicht dran denken, denn die sind nie barrierefrei für mich – das geht eben einfach nicht. Und solche Sachen – es gibt da ganz viel. Aber es gibt auch eben außer Urlaub noch sehr gravierende Sachen. Das ist zum Beispiel der ganze große Bereich des Gesundheitswesens, wo ich auch im Moment gerade innerlich wirklich am Kochen bin, wenn ich darüber nachdenke.

Ich finde, Barrierefreiheit sollte man schon mal für einzelne Gruppen auf jeden Fall durchsetzen beziehungsweise nicht vorhandene Barrierefreiheit für einzelne Gruppen kennzeichnen, sodass das Ganze planungssicherer wird. Also, eine Arztpraxis, die einen ebenerdigen Zugang hat und höhenverstellbare Liegen, Untersuchungsliegen, und eine mit dem Rollstuhl erreichbare Toilette, kann trotzdem für blinde Leute eine Katastrophe sein. Und trotzdem ist sie für mich halt dann barrierefrei. Also, ich finde es sehr wichtig zu gucken: Auf was bezieht sich diese Barrierefreiheit?

Da ist es natürlich dann auch immer wichtig, die Barrieren in den Köpfen zu beachten und zu sehen, wenn Barrieren da sind: Wie gehen wir damit um? Man kann auch viel machen – ändern – mit Solidarität zum Beispiel. Aber das muss man dann immer im Einzelfall gucken. Und grundsätzlich ist das natürlich keine Lösung, sondern das Ziel ist, dass die Welt für alle eigenständig offen steht.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Es gibt ja immer wieder Ansätze zu versuchen, diese Relativität, die Barrierefreiheit beinhaltet und die du ja auch gerade beschrieben hast, mit anderen Begriffen zu beschreiben. „Barrierearm“ hört man manchmal, „Zugänglichkeit“ hört man, „Erreichbarkeit“…

Martina Scheel:

Martina Scheel: „Nutzbarkeit“...

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: „Nutzbarkeit“, genau. Was habt ihr denn dazu für eine Meinung?

Martina Scheel:

Also, ich möchte das von Gerda eben zuerst noch ein bisschen weiterspinnen, weil Barrierefreiheit nicht damit aufhört, dass es keine Treppenstufen gibt und dass jeder rein kommt, sondern das muss man auch noch viel weiter denken: Wenn ich jetzt zum Beispiel an Veranstaltungen denke, dann geht es nicht nur darum, dass es da stattfindet, wo jeder rein kommt, sondern auch, dass die Information darüber für jeden verständlich ist, dass auch derjenige, der nicht mit dem Rollstuhl kommt, sondern vielleicht mit dem Blindenstock oder mit dem Blindenhund oder der eben kognitiv eingeschränkt ist – dass auch für diese Menschen die Möglichkeit geschaffen wird und im Vorwege drüber nachgedacht werden muss: Wie kann ich die mitnehmen?

Ich nutze ja auch, weil es ja auch so eine, ja, vorgeschriebene „Definition“ ist, das Wort „Barrierefreiheit“, bin mir aber genauso wie Gerda bewusst, dass es die einfach nicht gibt. Für andere ist es aber eben einfacher, mit dem Wort umzugehen und dann das Gefühl zu transportieren: „Ich habe fertig.“ Obwohl das ja eigentlich nicht möglich ist. Aber dass man auf diesem Wege vielleicht den einen oder anderen dazu animieren kann mitzumachen und sich Gedanken darüber zu machen. Und nicht, dass sich das Gefühl verbreitet: „Es geht sowieso nicht, also lassen wir es gleich.“ Das ist für mich eine ganz wichtige Intention.

Gerda Behrends:

Das fand ich auch als das so richtig Gute an der Corona-Zeit, wenn es überhaupt was Gutes daran gab: dass plötzlich alle Menschen vor einer Unmenge von Barrieren standen, die wir aus dem Alltag ganz normal kennen.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Auf jeden Fall!

Sylvia von Kajdacsy:

Ich würde jetzt noch mal andocken wollen: Ihr habt unterschiedliche Barrieren beschrieben. Und ich hab auch aus dem, was du, Martina, eingangs von dir selbst berichtet hast, ja so eine Barriere herausgehört. Und wie es auch oft geht, nämlich: dass wir um Informationen nicht wissen. Dass wir Fragen gar nicht fragen können, weil wir gar nicht wissen, welche Fragen wir stellen sollen. Also einfach, dass uns Informationen fehlen – die aber dann auch zu diesem Schritt dazu gehören – weil man gar nicht weiß, woher man diese Informationen bekommt, und weil das alles so verstreut ist. Sprich: bürokratische Barrieren. Fallen euch dazu irgendwie plakative Beispiele ein? Oder besondere Dinge, vielleicht auch Erfahrungen, die ihr mit dem Runden Tisch Barrierefreiheit gemacht habt, wo wirklich so eine bürokratische Barriere ganz abstrus war? Oder sowas wie „realer Irrsinn“?

Martina Scheel:

Martina Scheel: Nicht unbedingt vom Runden Tisch, aber ich sehe das bei uns in der Kommune ganz oft und ganz viel. Von Anfang an ist diese Problematik Migration und Sprachbarrieren. Dass es also nicht im ersten Step um das Thema geht, das schon sowieso nicht verstanden wird, weil Deutschland nun mal ganz anders auch aufgestellt ist. Sondern dass es schon da losgeht, dass man überhaupt nicht miteinander reden kann. Und dazu gehört auch als zweites wichtiges Thema, dass gerade in diesem Bereich Migration der Bereich Behinderung absolut nicht mitgedacht wird.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ja, doppelte Barrieren, genau.

Sylvia von Kajdacsy: Du wolltest auch noch was sagen, Gerda?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ja, mir fällt als schönes Beispiel für bürokratischen Schwachsinn die Geschichte mit den Zügen ein, von der NAH.SH. Ich hab ja immer an zwei Runden Tischen gesessen, auch an dem Runden Tisch für mobilitätseingeschränkte Reisende der NAH.SH. Und vor einigen Jahren wurde die Strecke Hamburg – Travemünde neu ausgeschrieben. Und in dem Ausschreibungstext hieß es dann irgendwie, dass es also barrierefreie Züge geben soll. Und wir haben das als Gremium dann auch so abgenickt. Und der Auftrag wurde dann so vergeben, an die Firma Stadler. Und die haben dann neue Züge konzipiert.

Gerda Behrends: Dann ist aber dieser Verwaltungsgang so, dass die das kriegen und dann wird da konzipiert. Und das nächste Mal, dass wir die Sachen zu sehen kriegten, war ein paar Jahre später, als die Züge fertig konzipiert waren und fertig entworfen und schon im Bau. Da kriegten wir das dann zu sehen. Die ganze Zeit dazwischen war das wie so ein schwarzes Loch und keiner wusste, was sie da jetzt eigentlich machen bei Stadler.

Und die Ingenieure von Stadler haben sich wirklich nach bestem Wissen und Gewissen an die TSI PRM gehalten. TSI, das ist die Technische Vorschrift, europaweit geltend, für Bahnen, wie die gebaut werden. Und PRM ist eben für persons with reduced mobility, also für eingeschränkte Personen. Was auch ich nicht gesehen habe, ist, dass da drin ein ganz dicker Fehler steckt. Nämlich, dass da Rampensteigungen bis… ich glaube, bis 15% oder so als ok gelten – was natürlich Selbstmörder-Rampen sind: Also, da kann man nicht ohne Überschlag hoch und runter. Und schon gar nicht mit dem Rollator.

Jedenfalls haben die sich daran gehalten und das auch bis zum Maximum ausgereizt. Und als wir das dann vorgestellt kriegten, die fertig konzipierten Züge, da haben wir nur die Hände überm Kopf zusammengeschlagen und haben gesagt: „So geht es nicht. Das ist absolut nicht barrierefrei.“ Und da war nichts mehr zu ändern. Wir haben es dann mit großem Protest, mit großem Trara, durchgesetzt gekriegt, dass wenigstens noch etwas nachgebessert wurde. Dass die ganz schlimmen Spitzen da raus sind.

Diese Züge, die nicht barrierefrei sind, die werden jetzt gebaut und eingesetzt. Und das heißt, dass die nächsten dreißig Jahre auf dieser Strecke zumindest – und da diese Züge jetzt entwickelt sind, werden die auch woanders eingesetzt werden – keine barrierefreien Züge mehr fahren. Und das ist besonders bitter vor dem Hintergrund, dass es eigentlich nach dem Personenbeförderungsgesetz bis zum 01.01.2022 – das ist vor sechs, sieben Monaten – also bis zum 01.01 dieses Jahres der gesamte öffentliche Verkehr barrierefrei sein sollte. Das ist ein Witz: Zwei Jahre vorher werden diese Züge gebaut und in Betrieb gesetzt. Also, das ist ein Unding. Und man kann niemandem so einen richtigen Vorwurf machen, weil diese Verwaltungsvorschriften eben so sind, wegen Patentrecht und so, weil die das ja entwickeln und weil das Firmen sind, die das entwickeln – da darf so lange keiner von außen da draufgucken. Und das ist wirklich ein Hammer!

Diese Züge, die nicht barrierefrei sind, die werden jetzt gebaut und eingesetzt. Und das heißt, dass die nächsten dreißig Jahre auf dieser Strecke zumindest – und da diese Züge jetzt entwickelt sind, werden die auch woanders eingesetzt werden – keine barrierefreien Züge mehr fahren. Und das ist besonders bitter vor dem Hintergrund, dass es eigentlich nach dem Personenbeförderungsgesetz bis zum 01.01.2022 – das ist vor sechs, sieben Monaten – also bis zum 01.01 dieses Jahres der gesamte öffentliche Verkehr barrierefrei sein sollte. Das ist ein Witz: Und das sind so Sachen – die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen muss viel früher einsetzen und auch kontinuierlich den Planungsvorgang mit begleiten.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ich finde, das hat noch mal ganz gut dargestellt, wie Bürokratie und Verwaltung so ihre eigenen Prozesse haben, die so isoliert ablaufen, dass es, obwohl ja der Runde Tisch Barrierefreiheit bei der Konzeption in Bezug auf die Züge gefragt wurde, ansonsten überhaupt nicht weiter mit einbezogen wurde – und welche dicken Bretter ihr da auch zu bohren habt. Weil es nicht nur darum geht, bei den einzelnen Menschen eine Sensibilität für dieses Thema zu schaffen, sondern weil man wirklich in diese bürokratischen und Verwaltungsprozesse einhaken muss. Und dazu muss man sie überhaupt dann erst mal verstehen.

Sylvia von Kajdacsy: Ja, Martina?

Martina Scheel:

Martina Scheel: Ja, ich kann das nur unterstützen, was Gerda gesagt hat. Und es kommt immer auf den Menschen an, mit dem man das zu tun hat. Es geht eigentlich immer um dieses face-to-face. Und dann funktioniert es auch. Aber es funktioniert nicht in der Allgemeinheit. Es funktioniert nur bei den einzelnen Menschen, bei denen es wirklich angekommen ist. Und das ist so schade, dass es tatsächlich im Grunde eigentlich dann gesetzlicher Grundlagen bedarf, um auch alle anderen da hinzubringen.

Sylvia von Kajdacsy:

Ja, tatsächlich. Damit käme man auch wieder zu dem zurück, was Gerda eingangs sagte: Es muss gar nicht infrage gestellt werden, ob und wie Barrierefreiheit beziehungsweise dass die Menschen sich auf den Weg machen und versuchen rauszukriegen: „Ist denn das Gebäude XY barrierefrei?“ Sondern die einzelnen Unternehmen, Organisationen et cetera sind verpflichtet, darzustellen, welches Format an Barrierefreiheit sie zu bieten haben, beziehungsweise perspektivisch barrierefrei zu sein.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Was aber bei denen auch voraussetzt, davon Wissen zu haben.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ja.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Die nächste Barriere…

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Genau.

Sylvia von Kajdacsy:

Ich habe mir vor diesem Gespräch so meine Gedanken gemacht, was ich euch frage, und wollte natürlich auch genau so was hören: Was gibt es denn für Geschichten vom Runden Tisch Barrierefreiheit. Ich will da noch einmal – wir haben jetzt welche gehört – aber noch mal so nachhaken: Gibt es irgendwelche Highlights, an die ihr euch erinnert, erinnerungsträchtige Storys, besondere Anekdoten?

Gerda Behrends:

Ja, ein Highlight jagte ja das nächste, nicht? [lacht] Ein Witz bei der ganzen Runder-Tisch-Geschichte ist, dass wir ja von unserer Ausgangsfrage ausgehend – nämlich barrierefreie Versammlungs- und Tagungsräume – nach dem Umzug hier in die neue Geschäftsstelle erst mal hier unsere schönen Räume gar nicht genutzt haben, weil der Aufzug, der hier hoch führt, eben ziemlich lebensgefährlich ist für E-Rolli-Fahrer*innen. Und darum haben wir gesagt, gerade der Runde Tisch Barrierefreiheit, das geht nun gar nicht. Und dann hab ich den eben immer in irgendwelchen anderen Räumen organisiert. Und die waren unterschiedlich gut geeignet, muss man sagen. Also, ich habe manches Mal mit leichtem Bedauern an unseren wunderschönen, so tollen Raum hier gedacht. Na ja, aber das war eigentlich so ein schönes Beispiel dafür, dass unsere Ausgangsfrage Berechtigung hatte. Und wirklich, das war praktische Anschauung – da konnte man immer gleich sehen: Hier hätte man dran denken müssen, das hätte man besser machen können und so weiter.

Ja, ein Highlight jagte ja das nächste, nicht? [lacht] Ein Witz bei der ganzen Runder-Tisch-Geschichte ist, dass wir ja von unserer Ausgangsfrage ausgehend – nämlich barrierefreie Versammlungs- und Tagungsräume – nach dem Umzug hier in die neue Geschäftsstelle erst mal hier unsere schönen Räume gar nicht genutzt haben, weil der Aufzug, der hier hoch führt, eben ziemlich lebensgefährlich ist für E-Rolli-Fahrer*innen. Und darum haben wir gesagt, gerade der Runde Tisch Barrierefreiheit, das geht nun gar nicht. Und dann hab ich den eben immer in irgendwelchen anderen Räumen organisiert. Und die waren unterschiedlich gut geeignet, muss man sagen. Also, ich habe manches Mal mit leichtem Bedauern an unseren wunderschönen, so tollen Raum hier gedacht. Na ja, aber das war eigentlich so ein schönes Beispiel dafür, dass unsere Ausgangsfrage Berechtigung hatte. Und wirklich, das war praktische Anschauung – da konnte man immer gleich sehen: Ein Highlight war sicherlich der Ausflug nach Lübeck, in das Hansemuseum, weil das einfach so eine schöne Aktion war. Da hat unsere damalige Chefin gesagt- Die ganzen ehrenamtlich arbeitenden Leute sind ja alle eingeladen worden. Und das war dann ein gemeinsamer Ausflug in das Hansemuseum. Das war dann allerdings noch nicht so barrierefrei, wie es hätte sein sollen. Und ich war leider nicht dabei, weil ich da nicht konnte. Aber es kam wohl auch zu einem Eklat zwischen unserer Chefin und der Chefin des Hansemuseums, die der Meinung war, so eine Gruppe müsste doch angemeldet sein. Aber wieso? Wieso muss so eine Gruppe angemeldet sein? Und es war wirklich- es hat wohl sehr hohe Wogen geschlagen.

Ja, ein Highlight jagte ja das nächste, nicht? [lacht] Ein Witz bei der ganzen Runder-Tisch-Geschichte ist, dass wir ja von unserer Ausgangsfrage ausgehend – nämlich barrierefreie Versammlungs- und Tagungsräume – nach dem Umzug hier in die neue Geschäftsstelle erst mal hier unsere schönen Räume gar nicht genutzt haben, weil der Aufzug, der hier hoch führt, eben ziemlich lebensgefährlich ist für E-Rolli-Fahrer*innen. Und darum haben wir gesagt, gerade der Runde Tisch Barrierefreiheit, das geht nun gar nicht. Und dann hab ich den eben immer in irgendwelchen anderen Räumen organisiert. Und die waren unterschiedlich gut geeignet, muss man sagen. Also, ich habe manches Mal mit leichtem Bedauern an unseren wunderschönen, so tollen Raum hier gedacht. Na ja, aber das war eigentlich so ein schönes Beispiel dafür, dass unsere Ausgangsfrage Berechtigung hatte. Und wirklich, das war praktische Anschauung – da konnte man immer gleich sehen: Diese hohen Wogen waren aber auch ein bisschen nachhaltig, denn es ist noch über Jahre hinweg ein Kontakt bestehen geblieben. Wir haben das Hansemuseum dann im Endeffekt beraten. Und es gibt jetzt eine Firma, die die Beratung weitermacht, in Sachen barrierefreier Umbau. Ich war jetzt lange nicht da und ich habe auch lange nichts gehört. Vielleicht muss man da noch mal nachhaken, wie da eigentlich der aktuelle Stand der Dinge ist. Aber immerhin ist das Thema dort jetzt wirklich auf dem Tisch.

Martina Scheel:

Ja, dann sind wir ja noch bei den Highlights und was uns irgendwie lange begleitet oder unvergessen ist. Mir fällt da nämlich Einiges zu ein, auch wenn ich offiziell noch nicht so ganz lange dabei bin, aber trotzdem ja dabei bin. Es gibt zwei Projekte, die ich erwähnen möchte, die ich schon lange begleite. Und zwar ist das einmal der Mönchsweg: Da gab es drei kleine Stücke, die zertifiziert worden sind – jetzt noch „Reisen für alle“. Dazu gibt es auch einen Flyer.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Erzählst du uns kurz, was der Mönchsweg ist?

Martina Scheel:

Der Mönchsweg ist ein Fahrradweg von Bremen bis rüber nach Dänemark, der mal irgendwie aus kirchlicher Sache entstanden ist. Also, die Hintergrundgeschichte weiter kenne ich gar nicht so. War für mich auch nicht so relevant – für mich war relevant: barrierefrei! [lacht] Da hatte ich mich schon von Anfang an mit involviert und hab das mit Gerda zusammen am Runden Tisch noch weiter begleitet und hab jetzt eben – na, wie lange läuft das jetzt, Gerda? Zweieinhalb Jahre?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Nee, länger. Das war ja vor Corona schon.

Martina Scheel:

Ja, stimmt. Also, schon länger als zweieinhalb Jahre. Und was eben dann so was Schönes ist: wenn am Ende tatsächlich was dabei rauskommt. Und das ist in diesem Fall der Flyer über diese drei Stücke der langen Strecke, die zertifiziert sind und wo man wirklich in diesem Flyer auch nachlesen kann, was auf diesen Strecken nicht barrierefrei ist – und das ist tatsächlich auch zertifiziert. Das ist aber ein langwieriges Projekt. Aber ein schönes Projekt.

Das andere, das ist das Tiny Rathaus in Kiel. Das ist so was wie ein mobiles Rathaus, das aber noch entwickelt, inwiefern das welche Aufgaben übernehmen kann und soll. Und da habe ich von Anfang an einfach so an diese Dame die Frage gestellt: „Ist das denn eigentlich barrierefrei?“ Das war so der Aufschlag. Und seitdem begleite ich das, auch am Runden Tisch und auch mit Gerda – wir waren auch schon zusammen da. Und ich merke, dass von der Seite aus also ganz viel Interesse auch kommt. Und auch ein Wollen, das umzusetzen. Und immer wieder Fragen: „Ich habe jetzt noch dieses“ und „Wie mache ich das?“

Und da sind mittlerweile auch schon ganz andere Sachen draus entstanden. Zum Beispiel haben wir im Coworking Space im Anscharpark, der dazugehört, auch unseren Runden Tisch gehabt und durften da tagen. Und im Nachgang war ich dann noch mal da und hab mit denen noch mal die nicht barrierefreien Aspekte in dem Haus besprochen. Also, es geht weiter und es entwickelt sich weiter: Aus so einem kleinen Anlass wird die Geschichte, die man jahrelang begleitet, und dann immer noch neue Sachen, die dazu kommen. Und gerade so positive Sachen finde ich so schön, dass man sie einfach erwähnen muss.

Sylvia von Kajdacsy:

Was ja dann hoffentlich auch die Motivation erhält, da dran zu bleiben. Das ist eigentlich eine wunderbare Überleitung zu meiner nächsten Frage: Was sind denn aus eurer Sicht die Themen, denen sich der Runde Tisch unbedingt noch widmen sollte? Oder was steht eigentlich als nächstes oder als drängendstes an? Vielleicht habt ihr eine kurze Antwort.

Martina Scheel:

Ja, eine ganz kurze: Das kann man so nicht sagen. Das kommt immer auf das drauf an, was uns gespiegelt wird, was bei uns ankommt, was eben im Lauf ist. Wie jetzt zum Beispiel mit dem Tiny Rathaus: Wenn da eine neue Frage dazu kommt oder ein Termin dazu ansteht, wenn der nächste Runde Tisch kommt und dann die Teilnehmer halt auch mit ihren eigenen Sachen kommen. Und es ist so vielfältig. Es kommt immer das, wo der Wunsch kommt, sich drum zu kümmern.

Gerda Behrends:

Ja, das hat immer auch so eine Eigendynamik, je nachdem, welche Zusammensetzung von Leuten gerade am Tisch sitzt. Und was Martina schon sagte: was da gerade für Themen anliegen. Das ist natürlich ganz wichtig. Natürlich gibt es eine Menge von Themen, wo es brennt. Also, Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr, Wohnungsbauwesen – das sind ja nur drei Bereiche, wo einem schon schlecht wird, wenn man sich da mal den Bereich Barrierefreiheit anguckt. Aber der Runde Tisch ist ja nur ein Gremium und wir können nur anstoßen. Und es ist gut, wenn von außen dann auch Sachen an uns herangetragen werden. Dann können wir tätig werden und was machen.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Ein ganz großes weiteres allgemeines Thema ist natürlich auch Digitalität. Und Schule. Das sind so eigentlich auch die Themenbereiche, aus denen dann diese Einzelsachen kommen, die dann bei uns behandelt werden. Also, dieses große Paket anzupacken, das geht gar nicht.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ja, der Bereich Schule ist ja eine Barriere an sich.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ja, und zwar für Kinder mit und ohne Behinderung. [lacht]

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Oh ja, genau! Aber das ist ja wenigstens inklusiv! [lacht ebenfalls]

Martina Scheel:

Und das kann man auch etwas weiter packen: Das ist nicht nur Schule, sondern Übergang in Ausbildung, Ausbildung und Beruf.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ja.

Sylvia von Kajdacsy:

Also, ich fasse zusammen: Es gibt noch genügend Bretter, die gebohrt werden können und müssen – dick sind sie auch – und noch genügend Bohrer, die noch mal konzipiert werden müssen, damit sie stark und lang genug sind. Ja, in der Tat.

Also, ich fasse zusammen: Wir haben in unserem Podcast immer so ein kleines Frage-Antwort-Spielchen, bei dem wir die Menschen normalerweise so nach ihrem Kurs und ihrer Fahrt auf und mit dem Inklusionsschiff in Schleswig-Holstein fragen. Das würde ich jetzt gerne mit euch noch mal auf den Runden Tisch Barrierefreiheit übertragen.

Also, Gerda hat ja jetzt quasi vor einer Weile das Steuer an Martina übertragen. Der Runde Tisch Barrierefreiheit ist nun weiter auf Kurs, in mehr oder minder stürmischen Weltmeeren oder Ostseen unterwegs. Und ihr antwortet mir bitte gerne beide, für eure Zeit auf diesem Schiff, auf meine Fragen, die ich euch gleich stelle. Was gilt für euch? Was entspricht euch eher: Kapitän oder Smutje?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Kapitänin.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Kapitänin.

Sylvia von Kajdacsy:

Ich hab, als ich gefragt habe, gedacht, ich müsste Kapitänin sagen – und hab dann gedacht: Verdammt, gibt es eine weibliche Form von Smutje? [Alle lachen.] Und ich hab es deshalb gelassen.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Also, ich wäre dann auch lieber für Steuerfrau als für Kapitänin.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ah, ok, ja!

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ja, ich hab auch gezögert. Kapitänin hat so was Autoritäres.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Luv oder Lee? Also, windhingewandt oder windabgewandt?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Lee. Lee ist hin, oder?

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Lee ist ab.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Nee, dann Luv. [lacht] Also, immer in den, immer gegen den Wind.

Martina Scheel:

Ich hätte das jetzt auch nicht gewusst und hätte auch gesagt: hingewandt. Denn wir müssen durch den Sturm, sonst wird das nichts.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Genau.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Danke – sehr gut!

Sylvia von Kajdacsy: Containerschiff oder Kreuzfahrer?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Traditionssegler.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Sehr gut!

Martina Scheel:

Martina Scheel: Angelboot!

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ok, ich seh schon! Ich hätte noch Piratenschiff oder Frachter zur Auswahl gehabt. Wir machen aber anders weiter: Südsee oder Ostsee?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ostsee.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Ost- und Nordsee.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Mit Motor oder mit Segeln? Also, lieber abhängig von der Technik oder abhängig vom Wind?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Motor.

Martina Scheel:

Menschenkraft: paddeln.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Geht nicht, weil du mir die nächste Frage klaust: Wenn beides ausfällt – paddeln oder rudern? Das eine ist mit dem Gesicht in Fahrtrichtung und das andere ist mit dem Gesicht- also, mit dem Popo in Fahrtrichtung.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Na ja, mit dem Gesicht nach vorne.

Martina Scheel:

Da das ja eben schon meine Antwort war, bin ich wahrscheinlich jetzt auch da: treiben lassen.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Wobei… Rudern kann man auch mit vielen. Paddeln, glaube ich, nicht so, oder?

Martina Scheel:

Martina Scheel: Doch, das geht auch.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Das geht auch, ok, dann nehmen wir das.

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: In die Ostsee springen oder lieber warm duschen?

Gerda Behrends:

Kommt drauf an, wie warm das draußen ist. Ab 34 Grad: Ostsee.

Martina Scheel:

Martina Scheel: Genau. Ist ja eigentlich die Frage, ob drinnen oder draußen, weil das ja direkt vor der Haustür ist. [lacht]

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Bei dir, oder? Genau!

Ja, und jetzt dann meine letzte Frage – und mit Abstand die härteste: Ostfriesland oder Ostholstein?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Oh, Ostfriesland natürlich. [lacht]

Martina Scheel:

Dann bilde ich den Gegen-Part – aber sowieso: Ostholstein. [Alle lachen.] Aber ganz wichtig, Sylvia: Es gibt in Schleswig-Holstein auch noch andere schöne Ecken. Und sie sind alle schön!

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Ja, unbedingt!

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ja, es gibt auch außerhalb von Ostfriesland Akzeptables [Sie lacht. Die anderen stimmen mit ein.]

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Wo du dich ja schließlich schon eine ganze Weile aufhältst!

Also, dann würde ich zum Abschluss kommen wollen. Du hast vorhin schon ganz nette Worte gesagt, Martina. Aber du kriegst noch mal die Chance: Auch wenn du jetzt ja schon einige Monate am Steuer – als Steuerfrau [Martina lacht] – des Runden Tisches Barrierefreiheit stehst, was wünschst du Gerda für ihren Ruhestand als Koordinatorin oder auch so für ihren Ruhestand?

Martina Scheel:

Och, das kann ich ganz einfach und schnell machen: Ich wünsche ihr die für sie nötige Barrierefreiheit! Und, Gerda, ich wünsche dir, dass du deine freie Zeit genießt und dass sie dir auch ein bisschen Zeit und Spielraum lässt, mich auch immer noch beim Runden Tisch zu begrüßen.

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: [schmunzelt]

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Sehr schön!

Sylvia von Kajdacsy: Und, liebe Gerda, was möchtest du Martina mit auf den Weg geben und was wünschst du ihr vielleicht auch für die weiteren Geschicke des Runden Tischs Barrierefreiheit?

Gerda Behrends:

Gerda Behrends: Ja, ich wünsch dir Humor und Durchhaltevermögen und immer viele Leute, die aktiv mitmachen. Ich werde auch weiterhin mit dabei sein – aber nicht mehr so aktiv! [lacht]

Sylvia von Kajdacsy:

Sylvia von Kajdacsy: Sehr schön!

Sylvia von Kajdacsy: Ich danke euch beiden sehr für das Gespräch. Das war nicht nur erwartungsgemäß schön lustig und spannend, sondern auch tatsächlich für mich so, dass ich noch neue Dinge erfahren hab. Und ich glaube, dass das jetzt auch noch mal eine ganz gute Perspektive gegeben hat – und einen Einblick darin, was der Runde Tisch Barrierefreiheit in Schleswig-Holstein alles so bewegt und wofür er da sein kann. Vielen, vielen Dank!

Abschließende Worte von Sylvia von Kajdacsy:

Abschließende Worte von Sylvia von Kajdacsy: Und wenn Sie jetzt noch mehr über den Runden Tisch Barrierefreiheit in Schleswig-Holstein erfahren wollen, wenn Sie ein Anliegen haben oder sich selbst gerne einbringen wollen, dann finden Sie weitere Informationen, Kontaktdaten und Links in den Shownotes zu dieser Folge.

Abschließende Worte von Sylvia von Kajdacsy: Schön, dass Sie dabei waren – und wir freuen uns, wenn Sie auch beim nächsten Mal wieder reinhören!

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